In Hollywood wird (vermeintliche) Realitätsnähe gerne für Marketing-Zwecke benutzt. So kann man etwa im Kino im Vorspann lesen: Dieser Film beruht auf eine wahre Begebenheit. Dadurch könnte in den Köpfen der Menschen die Vorstellung entstehen, dass solche Geschichten wertvoller als frei erfundene sein könnten, weil sie objektiver wirken.
Viele Schreibende kennen daher die berüchtigte Frage, die ihnen etwa bei Lesungen von Menschen aus dem Publikum gestellt wird: Ist diese Geschichte autobiografisch? Vorausgesetzt natürlich, die Autoren oder Autorinnen entwickeln Geschichten, die realistisch wirken und theoretisch stattgefunden hätten können. Wenn der Autor oder die Autorin eine solche Frage verneint, blickt er oder sie gelegentlich in enttäuschte Gesichter.
Auch autobiografische literarische Texte sind niemals objektiv und können es auch nie sein. Diese sogenannte „Realität“ ist in Wirklichkeit stets subjektiv. Wie sollen denn Beweise erbracht werden, dass diese Handlung genau so und nicht anders stattgefunden hat? Sie sind keine wissenschaftliche Lektüre, die jederzeit von anderen überprüfbar sein muss, sondern entspricht der Wahrnehmung oder der kreativen Schöpfung des Autors oder der Autorin. Entsprechend können sie nach Belieben künstlerisch verändert sein – sofern es der Geschichte dienlich ist.
Mal abgesehen davon wäre es dann kein Roman mehr, sondern eine (Auto-)biografie. Selbst bei Biografien weiß niemand genau, ob sie den Tatsachen entsprechen, es sei denn sie sind von Journalist:innen oder Historiker:innen geschrieben, die im Anhang etliche überprüfbare Quellen anführen.
Natürlich gibt es Romane, wo die Figuren so gestaltet sind, dass man an ihrem Verhalten, ihrem Aussehen oder an ihren Dialogen bekannte Persönlichkeiten erkennen kann, wie etwa der in der vorletzten Podcast-Folge zu Literaturkritik zitierte Roman von Martin Walser.
Auch literarischen Geschichten, die auf „wahre“ Begebenheiten oder Personen basieren, sind künstlerisch gestaltet und können so wirken als seien sie autobiografisch, sind es jedoch nicht. So ähnlich wie auch eine Mockumentary wie ein Dokumentarfilm wirken soll. Diese sind nicht echt, sondern häufig eine Parodie auf den Inhalt, von dem der fiktive Dokumentarfilm handelt.
Somit ist die Frage, ob ein literarischer Text real oder fiktiv ist, hinfällig. Die Qualität von Literatur hat nichts damit zu tun, ob eine Geschichte frei erfunden wurde oder Elemente aus der sogenannten „Realität“ enthält. Ähnlich wie beim Film oder in der Kunst gehört es zum Handwerk von Schreibenden, das sie sich Geschichten mit Figuren ausdenken können, die so wirken, als seien sie echt – natürlich nur, wenn es künstlerisch gewollt ist.
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