23.02.2022

Müssen Autoren sprechen können?

Wenn Du an das Klischee eines Autors oder einer Autorin denkst, fällt Dir vielleicht das Bild ein, dass er oder sie weltabgewandt im stillen Kämmerlein sitzt. Tatsächlich findet die Arbeit an Texten  vorwiegend alleine statt. Es ist daher naheliegend, dass sich mehr introvertierte Menschen zum Schreiben hingezogen fühlen. Die meisten sind also das genaue Gegenteil einer Rampensau. 

Sich selbst ins Scheinwerferlicht zu stellen, war früher auch nicht erforderlich. Niemand wollte wissen, wie  Schreibende aussehen. Bei Drehbuch- oder Hörspielautoren ist das auch heute noch so. Bei Roman- und bei Sachbuchautorinnen hat sich das jedoch geändert. Verlage gehen heute ganz selbstverständlich davon aus, dass Autoren und Autorinnen ihre Bücher bei Lesungen präsentieren.

Ich erinnere mich noch genau an das 1. Semester des Lehrgangs Literarisches Schreiben, wo uns Marlen Schachinger mitgeteilt hat, dass es am Ende des Semesters eine Lesung geben würde. Die Vorstellung, einen meiner Texte öffentlich vorzutragen, hat bei mir sofort Panik ausgelöst. So ging es einigen anderen auch. Einige sagten, dass sie zu diesem Schritt noch nicht bereit seien und haben nach einem Semester den Lehrgang verlassen.

Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, begann ich darüber nachzudenken. Ich hatte mich ja nicht grundlos zum Lehrgang angemeldet. Ich wollte ja beim Schreiben weiter kommen und wenn Marlen der Ansicht war, dass bereits zu einem so frühen Zeitpunkt eine Lesung notwendig war, dann gab es dafür gute Gründe. Nach einer Weile fiel mir ein, dass ich eine Freundin um Hilfe bitten könnte. Sie ist Schauspielerin, Schauspiellehrerin und bietet Sprech- und Stimmtraining an. 

Etliche Jahre davor, während meiner Drehbuchausbildung, war ich bei einer anderen Freundin in Vorarlberg zu Besuch. Sie moderierte damals ein Mal pro Woche eine Sendung bei einem kleinen Privatsender. Sie nahm mich während meines Urlaubs ins Studio mit. Spontan fragte sie mich, ob ich Lust hätte, ein Gedicht vorzulesen. Ohne viel darüber nachzudenken, sagte ich ja. Wenig später war ich auf Sendung. In diesem Moment, wo bis zu 30.000 Menschen zuhören konnten, hatte ich einen gigantischen Adrenalin-Kick. Dieses Erlebnis hat sich bei mir emotional dermaßen eingeprägt, dass ich das wieder erleben wollte, allerdings wollte ich vorbereitet sein. Meine Recherchen führten mich zu einer pensionierten Ö1-Radiosprecherin, bei der ich Privatunterricht genommen und sprechtechnische Grundlagen erlernt hatte.

Für meinen Auffrischungsunterricht hatte das frühere Training Vor- und Nachteile. Der Vorteil war, dass ich bereits Erfahrungen mitbrachte. Der Nachteil war, dass der Radio-Nachrichtenstil, den ich mir während meines ersten Sprechtechnik-Unterrichts durch die Moderatorin antrainiert hatte, bei einer literarischen Lesung unangebracht war. Meine Sprechtrainer-Freundin war sehr geduldig und ich übte fleißig. Dann gab es noch eine Barriere im Kopf zu beseitigen. Fremde Texte zu lesen war eine Sache, einen eigenen zu lesen konnte ich mir nicht richtig vorstellen. Meine Freundin redete mir gut zu und trotz meines riesigen Lampenfiebers lief die erste Lesung zum Glück einwandfrei.

Wenn ich heute daran zurückdenke muss ich lächeln. Im Gegensatz zu damals freue ich mich über jede Gelegenheit zu einer Lesung. Das hat nicht nur mit dem Sprechtechnik-Unterricht zu tun, sondern weil ich jahrelang gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen der Autorengruppen Textmotor öffentliche Lesungen gegeben habe. Wir haben uns bei der Moderation des Lesungsabends abgewechselt und waren neben unserem Stammlokal, dem Café Jelinek in Wien, auch in Graz und bei der Buchmesse in Leipzig eingeladen.

Falls Du jemals über eine Veröffentlichung Deiner (literarischen) Texte nachdenkst, solltest Du Dich bereits zu Beginn mit dem Gedanken anfreunden, dass Du Auszüge daraus bei Lesungen vorstellen wirst. Um Deinen Zuhörern und Zuhörerinnen ein angenehmes Erlebnis zu bieten, empfehle ich Dir, Dich ebenfalls von einer kundigen Person sprechtechnisch unterrichten zu lassen. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, ob Autorinnen sprechen können müssen, ist somit ja. Nutze jede Gelegenheit, Deine Texte öffentlich zu präsentieren und dich mit Lesenden auszutauschen. Du wirst davon enorm profitieren.

16.02.2022

Keine Lust aufs Schreiben?

Beim Austausch mit anderen Autoren oder Autorinnen habe ich erfahren, dass sie gelegentlich ein Motivationstief haben, jedoch einen qualitativ hochwertigen Text schreiben bzw. einen solchen abliefern müssen. Dieser Beitrag stellt Fragen und Methoden vor, mit denen Du Dich eventuell selbst wieder motivieren könntest, falls Du selbst in einer Null-Schreiblust-Phase bist.

Frage Dich zuerst, ob Du in der Nacht davor genug geschlafen hast? War der Anteil Deines REM-Schlafs hoch genug? Schlaf ist essenziell, damit Du Dich fit und vital fühlst. Während des REM-Schlafs verarbeiten wir Emotionen. Fehlte dieser Anteil in der Nacht davor, dann könnte es dazu führen, dass Du schlecht gelaunt oder gereizt bist. Am Ende des Beitrags findest Du einen Link zu einem YouTube-Interview zum Thema Schlaf, wo Du Dich näher über die verschiedenen Schlaf-Phasen und über Schlaftracking informieren kannst.

Die zweite Frage könnte sein: Geht es Dir tatsächlich um diesen Text oder verbirgt sich eventuell hinter Deiner Schreibunlust etwas ganz anderes? Ich hatte früher Angst, nicht gut genug zu sein = minderwertige Texte zu schreiben. Das war eine meiner Hauptmotivationsbremsen und hat mich am Anfang jahrelang davon abgehalten, irgendetwas zu Papier zu bringen.

Drittens könntest Du Dich fragen, ob eventuell ein Glaubenssatz dahintersteckt, der Dir einflüstert, dass Du in einer besonders inspirierende Stimmung sein musst. Das war bei mir ein weiterer Grund, warum ich gar nicht erst damit begonnen habe. Wie ich mittlerweile aus Erfahrung weiß ist das auch Unsinn, denn die Inspiration kommt häufig während des Schreibens, ist also Teil des Prozesses. 

Als Viertes könntest Du Dich fragen, ob Du Dir eventuell einredest, dass das, woran Du schreibst, schlecht, banal oder bedeutungslos für andere Menschen ist? Sobald Dein Text für andere Menschen, wie etwa ein Social Media-Beitrag, ein journalistischer Text, ein literarischer Text oder ein Werbetext. 

Selbst wenn Du einen Tagebucheintrag schreiben wolltest und in dem Moment glaubst, dass der für Dich irrelevant ist, könnte dies in einer oder in zwei Wochen, Monaten oder Jahren ganz anders. Hätte beispielsweise ich so etwas damals nicht aufgeschrieben, könnte ich Dir an der Stelle gar nicht von meinen damaligen Erfahrungen berichten, weil ich sie schon längst wieder vergessen hätte.

Die fünfte Frage ist, ob es vielleicht ein anderes Hindernis gibt, wie etwa ein Streit oder schlechte Stimmung mit einer wichtigen Bezugsperson, die dazu führt, dass Du denkst, dass Du in einer solchen Situation keinesfalls schreiben kannst. 

Ja, das kenne ich auch und darauf gibt es nur eine Antwort: Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. Natürlich ist etwa eine Erkrankung eines wichtigen Menschen eine große Belastung, ebenso natürlich jede Trennung. Schreiben kann jedoch eine wunderbare Möglichkeit sein, traumatische Ereignis zu verarbeiten. Sobald Du Dir selbst erlaubst, diesen Schmerz zu empfinden und (eventuell unter Anleitung eines in Schreibtherapie ausgebildeten Therapeuten bzw. einer Therapeutin) von der Seele schreibst, ist Dein Geist vermutlich wieder für andere Themen offen.

Sobald Du Dir diese Fragen beantwortet hast, idealerweise natürlich schriftlich, werden sie möglicherweise ihren ersten Schrecken verloren haben. Eventuell fühlst Du Dich danach schon viel besser. 

Ich habe früher mein Erste-Hilfe-Programm für mangelnde Motivation gestartet. Das ist eine Evernote-Notiz, wo ich mir sämtliche Tipps & Tricks für solche "Notfälle" notiert habe und mit denen ich mich auch in anderen Situationen, wo ich keinen Bock auf wasauchimmer habe, motivieren kann.

Für mich ist das eine ungestörte und angenehme Arbeitsatmosphäre (Licht, Geräusche, Schreibplatz). Dann stelle ich genügend Getränke bereit, das Smartphone ist auf lautlos gestellt und sämtliche Benachrichtigungen werden deaktiviert. Hilfreich ist ein gut gelüfteter Raum, angenehme bzw. konzentrationsfördernde Gerüche wie Duftkerzen, Räucherstäbchen oder Aromaöle. Je nachdem, welcher Typ Du bist, könntest Du Musik zur Einstimmung hören. Für manchen Menschen ist es motivationsfördernd, Musik nebenher laufen zu lassen. 

Dann lege ich einfach los, ohne mir Gedanken über die Qualität zu machen. Sobald die ersten zwei Absätze geschrieben sind, läuft es fast von allein. 

Seit ich wieder regelmäßig Sport betreibe (also seit 2009) gibt es dieses Motivationsproblem seltener, weil Sport nachweislich die Selbstdisziplin verstärkt. Abgesehen davon trainiere ich die Fähigkeit, meine sogenannte "Komfortzone" zu verlassen, schon seit geraumer Zeit, indem ich mir regelmäßig freiwillig neue Herausforderungen suche. Meiner Erfahrung nach ist das ein ausgezeichnetes Mentaltraining, das Du natürlich 1:1 fürs Schreiben nutzen kannst. 

Übrigens habe ich mich für diesen Blogbeitrag null überwinden müssen, sondern ihn sogar bereits vor Tagen rasch geschrieben, als mir die Idee dazu kam. Vielleicht waren für Dich einige Gedanken oder Idee dabei, die Dir in einem Motivationstief auf die Sprünge helfen.

Linktipp:
Interview auf YouTube mit Chris-Surel zum Thema Schlaf

09.02.2022

Literarische Texte überarbeiten

Sowohl während meiner Ausbildung als auch hinterher habe ich mit etlichen Autoren und Autorinnen gesprochen und konnte so einen Einblick in deren Arbeitsweise gewinnen. Vielleicht ist für Dich die eine oder andere Anregung mit dabei, die Du für Dich nutzen kannst.

Meiner Erfahrung nach hat jede bzw. jeder eine andere Arbeitsweise. Einer, der seine Texte kaum überarbeitet, ist etwa der bekannte Krimi-Autor Stefan Slupetzky. Bereits seine erste Fassung ist schon so gut wie druckreif, erzählte er. Demnach dauert es bei ihm etwas länger bis er eine Seite fertig hat. Jeder Satz, den er schreibt, wird also bereits während des Schreibens genau ausformuliert.

Genau so stellen sich viele Laien das Leben eines Autors vor: jederzeit druckreife Texte abliefern. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Genauso individuell wie jeder Mensch ist auch die Arbeitsweise von Autoren. Manche schreiben die Erstfassung ihrer literarischen Texte per Hand. Die Überarbeitung erfolgt, währenddessen der handschriftliche Text getippt wird.

Auch ich habe mir angewöhnt, Ideen zuerst handschriftlich zu notieren. Dann tippe ich eine Art Skizze, um eine grobe Vorlage zu haben. Mit der wird dann so lange weiter ausgearbeitet bis eine brauchbare Erstfassung entstanden ist. Diese Version wird so lange überarbeitet, bis ich mit ihr halbwegs zufrieden bin.

Je nach Dringlichkeit mache ich mehrere Tage, Wochen oder sogar Jahre Pause, um danach den Text erneut zu überarbeiten. Marlen Schachinger hat uns im Zuge des Lehrgangs Literarisches Schreiben empfohlen, diese Pause einzulegen. Sie nennt diesen Vorgang „Abhängen“. Vielleicht kennst Du diesen Begriff aus der Herstellung luftgetrockneter Lebensmittel.

Ähnlich wie sich Lebensmittel während der Trocknung verändern ist es auch mit Deiner Sichtweise auf Deinen Text. Durch die Pause gewinnst Du Abstand. Bereits wenige Tage später liest Du ihn mit anderen Augen. Du findest nicht nur leichter Fehler, sondern kannst auch besser beurteilen, ob das, was Du in Deiner Geschichte transportieren wolltest, beim Leser bzw. der Leserin ankommen könnte.

Sobald Du die finale Fassung fertig geschrieben hast, kannst Du Deinen Text einer anderen Person zu lesen zu geben. Idealerweise ist das jemand aus Deiner Zielgruppe, für die Du Deinen Text geschrieben hast. Aufgrund des Feedbacks hast Du jetzt die Möglichkeit, diese Anregungen für eine weitere Überarbeitung Deines Textes zu nutzen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich viele Schreibanfänger selbst unter hohen Druck setzen. Sie glauben, dass sie bereits in der Erstfassung einen ähnlich fertigen Text abliefern müssen, wie es Stefan Slupetzky macht. 

Nach diesem Blogbeitrag weißt Du jetzt, dass dies nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, Texte zu erstellen. Du kannst also jederzeit entspannt loslegen. Denn Du weißt jetzt, dass es ganz normal ist, Deinen Text beliebig oft zu überarbeiten, bis dieser so weit fertiggestellt ist, dass Du ihn anderen zum Lesen geben möchtest.


02.02.2022

Inspiration oder Plagiat?

Egal ob es sich um Figuren, um Handlungen oder um die Sprache handelt, kaum ein/e Autor/in kommt ohne jegliche äußere Anregung weiter. Das (Autor*innen)Leben ist voll mit Eindrücken und Einflüssen, sei es die aktuelle Lieblingslektüre, die Sprache einer bestimmten Person oder ein Ereignis, das man in den Medien gesehen, bei anderen beobachtet oder selbst erlebt hat. Sich Ideen von außen zu holen ist also völlig normal.

Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen Inspiration und Plagiat, den ich heute vorstellen möchte. Dies ist vor allem für angehende Autoren und Autorinnen wichtig, damit sie niemals in eine ähnliche Situation wie Helene Hegemann mit ihrem Roman Axolotl Roadkill gelangen. Sie wurde anfänglich medial gefeiert. Später stellte sich heraus, dass sie größere Passagen aus dem Blogger-Roman Strobo von Airen übernommen hatte.

Plagiat bedeutet, dass man ganze Passagen wörtlich übernimmt. Dies ist nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Wissenschaft verpönt, schließlich geht darum, sich die jeweiligen Erkenntnisse bzw. Ergebnisse selbst zu erarbeiten. In der Wissenschaft ist es selbstverständlich, auf anderer Forscher und Forscherinnen zu verweisen. 

In der Literatur ist das ebenfalls erforderlich. Auch wenn 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bzw. der Urheberin das Urheberrecht erlischt und das Werk von allen genutzt werden darf, versteht es sich hoffentlich von selbst, Goethe, Schiller oder Shakespeare nicht hemmungslos abzukupfern, ohne dies irgendwo zu kennzeichnen.

Etwas völlig anderes ist die Inspiration. Die lateinische Herkunft deutet es ja bereits an, denn „spiritus“ bedeutet Geist oder die Seele. Man hört, liest oder sieht etwas und nimmt diese Hauch einer Idee als Ausgangspunkt, daraus etwas Eigenes zu entwickeln.

Einige meiner Kurzgeschichten sind so entstanden, wie beispielsweise Schöner Wohnen. Diese Kurzgeschichte ist 2015 unter meinem Pseudonym A. J. Rosmondi in der Anthologie übergrenzen veröffentlicht worden. Falls Du diese Geschichte gelesen und herausgefunden hast, welcher Film mich dazu angeregt hat, hinterlasse mir gerne einen Kommentar oder sende mir eine Nachricht.

Falls Du selbst mit dem Schreiben beginnen möchtest, empfehle ich Dir eine einfache Übung: Du suchst zu Hause drei unterschiedliche Gegenstände und entwickelst eine Geschichte, in der diese Gegenstände vorkommen müssen. Diese Übung kannst Du natürlich beliebig variieren, indem Du Personen, Orte oder eine Mischung aus all dem verwendest.

Indem Du diese Übung regelmäßig wiederholst, trainierst Du spielerisch Deine Kreativität. Im Laufe der Zeit wirst Du immer besser werden, selbst originelle Ideen zu entwickeln. Du wirst nie wieder vor einem weißen Blatt Papier sitzen und Dich fragen, was bzw. worüber Du schreiben sollst und dadurch hoffentlich nie auf die Idee kommen, von jemandem wörtlich abzuschreiben.

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