2.3.25

Ich kann nicht schreiben!

Viele Menschen trauen es sich nicht zu, eigene Texte zu verfassen wie einen Brief an einen lieben Menschen, einen Bericht, einen Blogbeitrag oder gar einen Roman. Sie sind überzeugt davon, dass sie nicht schreiben können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass solche Überzeugungen oft ihren Ursprung in der Kindheit haben: Abwertende Kommentare oder herablassende Kritik durch Erwachsene haben sie leider entmutigt. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns an, wie diese Erfahrungen entstehen, warum sie so lange nachwirken und was Du tun kannst, um Dein Selbstvertrauen beim Schreiben zurückzugewinnen.

Abwertende Kommentare 

Wer kennt sie nicht: Sätze wie „Das ist grottenschlecht!“, „Das versteht doch kein Mensch!“, oder gar sarkastische Bemerkungen vor anderen. Solche Demütigungen können dazu führen, dass sich Kinder schämen, einen Text zu verfassen. In einem solch negativen Klima verpufft die Freude am kreativen Ausdruck, und es können unbewusste Blockaden entstehen.  

Einige meiner Kunden und Kundinnen erzählten mir von solchen traurigen Erlebnissen. Sie glaubten jahrelang das, was ihnen gesagt wurde: „Ich kann nicht schreiben!“ Dieser Glaube war für sie Realität. Erst durch meine Workshops und die Ermutigung, es sich einfach zu machen und zu beginnen, wurde ihnen bewusst, dass diese Aussagen nichts mit ihnen zu tun hatten und ihnen nur von Erwachsenen eingeredet wurden.  

Überzogene Perfektion

Manche Lehrkräfte legen so viel Wert auf Grammatik, Rechtschreibung oder Zeichensetzung, dass sie kreative Ideen und Gedanken der Kinder kaum wahrnehmen oder wertschätzen. Fühlt sich jedes kleine Komma oder jeder falsche Buchstabe wie ein Weltuntergang an, führt das zu einem übertriebenen Perfektionismus. Schülerinnen und Schüler trauen sich nicht mehr, frei zu formulieren – aus Angst vor Fehlern. 

Möglicherweise gehst Du davon aus, dass ich als eine Autorin und Schreibexpertin schon von früher Jugend an fehlerfrei geschrieben habe. Leider nein. Etwas ausdenken und formulieren – dafür konnte ich mich von Kindheit an begeistern. Mit der Zeichensetzung wollte ich mich nicht beschäftigen. Somit war „Gut“ oder „Befriedigend“ meine übliche Deutschnote. In manchen Zeugnissen gab es sogar nur „Genügend“. Die heutigen Kenntnisse eignete ich mir erst später durch regelmäßige Schreib- und Lesepraxis und einen Kurs im zweiten Bildungsweg an.

Ungerechte Benotung

Vielleicht kennst Du es noch von damals, als Dir Freunde und Freundinnen darüber berichtet haben, sie hätten das Gefühl, dass ihnen bestimmte Lehrkräfte gezielt schlechte Noten verpassen – unabhängig von der tatsächlichen Leistung. Solch eine Willkür hinterlässt den Eindruck, dass man ohnehin nichts richtig machen kann und jegliche Anstrengung sinnlos ist.

Zum Glück gab es so etwas nur ein einziges Mal in meiner schulischen Laufbahn. Wir sollten über den Sommerurlaub erzählen, und ich wählte eine Reise mit Onkel, Tante und Cousin ans Meer. Dieses Ferienerlebnis war vollkommen anders als alles, das ich bisher erlebt hatte.  

Ich erinnere mich noch heute an das wütende Gesicht meines Onkels, als er das Vorzelt unseres Wohnwagens aufbauen wollte. Am Tag vor der Abreise hatte er ihn bei einem Campingverleih abgeholt. Das Vorzelt war mit dem Wohnwagen inkompatibel – man hatte es offenbar nach der Reinigung vertauscht. Es hatte eine unpassende Größe, die Gestängeteile passten nicht zusammen. Für meinen Onkel, einen akribischen Techniker, eine Katastrophe – das in der Not errichtete Provisorium sah schrecklich aus. Was sollten die Leute von ihm denken!  

Aber damit nicht genug: Beim Baden im Meer stieg ich auf Seeigel und einige Tage später rutschte ich beim Herumklettern am felsigen Strand aus und landete in einer Gruppe Miesmuscheln. Mit den verletzten Zehen und Schürfwunden an den Beinen im Meerwasser zu schwimmen, war natürlich schmerzhaft, somit musste ich darauf verzichten. Dann wurde ich auch noch krank und bekam Fieber. 

Klingt unglaubwürdig? Das dachte meine damalige Deutschlehrerin ebenso. Ihrer Ansicht nach war das erfunden oder zumindest großzügig ausgeschmückt, schließlich wusste sie, dass ich ein kreatives Kind war.  Dementsprechend schlecht wurde ich dafür benotet. Ich war empört, dass mir nicht geglaubt wurde. Meine Mutter musste damals bestätigen, dass es nicht meine Kreation war, sondern alle Missgeschicke tatsächlich stattgefunden hatten.

Durch negative Glaubenssätze zu Schreibblockaden

Was wir wiederholt hören, verankert sich in unserem Unterbewusstsein, unabhängig davon, ob es richtig ist oder nicht. Grund dafür ist der Wahrheitseffekt. Diese kognitive Verzerrung ist mitverantwortlich, weshalb Werbung so gut funktioniert. Wir hören nebenher, wie schön und sauber unsere Kleidung durch ein neues Waschmittel aussieht. Eines Tages kaufen wir es. Wir haben nur ein preiswertes Angebot genutzt, schließlich benötigen alle Leute ein Waschmittel. Warum nicht dieses neue ausprobieren? Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass wir von Werbung nicht beeinflusst werden können. 

So ähnlich ist es, wenn Dir ständig jemand sagt: „Du kannst nicht schreiben“. Es entsteht damit ein negativer Glaubenssatz, der noch Jahrzehnte später aktiv ist. Insbesondere in jungen Jahren hinterfragen wir solche Aussagen kaum, sondern wir glauben den Erwachsenen.  Diese verinnerlichte Botschaft führt zu Hemmungen, selbst bei einfachen Schreibprojekten zu zögern – gleich ob es um ein Bewerbungsschreiben, um einen Schadensbericht für eine Versicherung oder um eine Rede beim Geburtstag eines lieben Menschen geht.

Negative Gefühle beim Schreiben

In vielen Fällen entsteht dabei eine emotionale Verknüpfung: Schreiben wird sofort mit „kritisiert werden“ in Verbindung gebracht, und das ist unangenehm. Stell Dir vor, Dir passiert so etwas. Du schämst Dich oder fürchtest Dich, noch bevor Du überhaupt ein Wort zu Papier gebracht hast. Negative Gefühle rund ums Schreiben wie Scham oder Angst sorgen dafür, dass so jemand in Zukunft solche Situationen meidet. Es wird nur noch das Nötigste geschrieben oder jemand entwickelt sogar Schreibangst. 

Manchmal lese ich in Social Media, dass selbst geübte Personen Schreibblockaden haben. Möglicherweise könnte es daran liegen, dass sie viel zu hohe Ansprüche an sich stellen. Anstelle einfach zu beginnen, vergleichen sie sich mit Leuten, die diesen Beruf seit vielen Jahren ausüben, wie so manche Profis. 

Während meiner literarischen Ausbildung hielt ein bekannter österreichischer Krimi-Autor einen Gastvortrag. Er erzählt uns, dass er lange nachdenkt, bevor er einen Satz schreibt, denn er überarbeitet seine Texte nicht. Das ist jedoch nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Ich kenne sonst keinen, der Texte ohne Überarbeitung veröffentlicht – ich übrigens auch nicht. 

Ich stelle mir die Entstehung des ersten Entwurfs wie das Entfernen des groben Gesteins rund um einen Rohdiamanten vor. Es geht hauptsächlich darum, eine Idee zu Papier zu bringen. Das mehrfache Überarbeiten entspricht dem Schleifen des Steins. Erst nach mehreren Durchgängen entsteht ein funkelnder Brillant mit all seinen Facetten. Auch eine Skulptur entsteht in der Regel in mehreren Schritten. Zuerst wird der Steinblock grob bearbeitet, danach folgen die Details. 

Ohne Übung keine Entwicklung

Wer jahrelang oder sogar mehrere Jahrzehnte mit der Überzeugung lebt, nicht schreiben zu können, wird sich nicht weiterentwickeln und die Schreibfähigkeiten verkümmern. Leider führt es dazu, dass Schreiben eines Tages tatsächlich schwerfällt, weil die regelmäßige Praxis fehlt. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der den anfänglichen Glaubenssatz weiter verstärkt.

Die Lösung liegt nicht darin, Schreiben völlig zu vermeiden, sondern es sich so einfach wie möglich zu machen, um es nie zu verlernen, damit wir es können, wenn wir es benötigen. Wie das gehen könnte, werden wir uns gleich anschauen. Dafür benötigen wir nur Papier und Stift. 

Mache Dir bitte bewusst, dass toxische Lehrkräfte einen negativen Einfluss auf das Selbstbild und die Schreibmotivation haben können. Es ist nie zu spät, solche alte Glaubenssätze zu hinterfragen. Viele Studien und Untersuchungen zeigen, dass Kreativität und Ausdruckskraft lern- und trainierbar sind, solange Du offen dafür bist und Dir den Raum dafür gibst. Schreiben kann somit jeder Mensch erlernen und verbessern.

So gewinnst Du einfach Vertrauen zurück

Falls Du negative Erlebnisse zum Schreiben in der Kindheit hattest, mache Dir bewusst, dass solche Aussagen oft mehr über die erwachsene Person als über Deine Fähigkeit aussagen. Du bist nicht automatisch „schlecht im Schreiben“ – möglicherweise hattest Du aufgrund dieses Erlebnisses nur einen schlechten Start. Auch wenn Du in der Schulzeit kaum Wertschätzung erhalten hast, gibt es jetzt die Möglichkeit, Deine Schreibfähigkeiten neu zu entdecken und auszubauen: 

  • Frage Dich vorab: Habe ich schon einmal einer wichtigen Person ein Erlebnis oder meine Gedanken erzählt? Das wirst Du wahrscheinlich schon einmal gemacht haben. Mehr benötigst Du nicht. Alles, das Du denken und ausdrücken kannst, kannst Du auch zu Papier bringen. Lass Dir bitte nie wieder einreden, Du könntest das nicht!
  • Nimm Dir bitte jetzt ein Blatt Papier und einen Stift.
  • Notiere Dir, was Dir gerade in den Sinn kommt. 
  • Rechtschreibung oder Grammatik sind gänzlich unwichtig. 
  • Dafür musst Du weder kreativ sein, noch irgendwelche besonderen Fähigkeiten mitbringen. 
Hier ein paar Beispiele, was Du Dich fragen könntest:

  • Was beschäftigt mich gerade?
  • Wie fühle ich mich in diesem Moment? 
  • Was habe ich heute, gestern oder diese Woche (oder zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt) erlebt? 
  • Starte mit einem Notizblock oder einem Notizbuch und nimm Dir morgens, abends oder morgens und abends nur fünf Minuten dafür Zeit. 
  • Notiere Dir ein paar Sätze, die Dir zu diesem Zeitpunkt einfallen, ohne Anspruch auf Perfektion, mal weniger, mal mehr.
  • Wichtig ist, dass Du Schreiben als Prozess siehst und dran bleibst. 

Möchtest Du weiterführende Infos und Empfehlungen zu Selbstbeobachtung und Selbstreflexion durch Schreiben?

Schau gerne auch auf meinem YouTube-Kanal vorbei, werde Mitglied in meiner kostenlosen Facebook-Gruppe oder nimm an einem meiner Workshops teil.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Empfohlene Posts

Ich kann nicht schreiben!

Viele Menschen trauen es sich nicht zu, eigene Texte zu verfassen wie einen Brief an einen lieben Menschen, einen Bericht, einen Blogbeitrag...

Beliebte Posts