12.1.22

Die ethische Verantwortung von Autoren und Autorinnen

Die letzten zwei Jahrzehnte haben eine deutliche Veränderung der Bewusstheit zur gesellschaftlichen Verantwortung gebracht. Während meiner Schulzeit war Mülltrennung noch für niemand ein Thema. Selbst im Jahr 2004, als ich beruflich in den Non-Profit-Sektor gewechselt bin, war Nachhaltigkeit für die Mehrheit der Menschen unbekannt oder wurde abgelehnt. Man verband das automatisch mit dem damals typischen Hippie-Kleidungsstil, also mit Jesus-Latschen, Jutetaschen und selbstgestrickten Pullis. Das wirkte auf viele Menschen wirklichkeitsfremd und rückständig. In einer fortschrittsgläubigen Welt am Beginn des neuen Jahrtausends hat das die breite Mehrheit der Menschen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz noch kaum interessiert. 

Dementsprechend waren seinerzeit auch die meisten Unternehmen nicht an Corporate Social Responsibility interessiert. Sprach man sie darauf an wollten sie nichts davon wissen. Sie beriefen sich darauf, dass sie ohnedies geltende gesetzliche Regelungen einhielten. Obwohl sie es eigentlich besser hätten wissen müssen, weil bereits im Jahr 1992 bei einer Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro das Vorsorgeprinzip formuliert wurde. 

Beim Vorsorgeprinzip geht es darum, negative Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt von vornherein zu vermeiden, selbst wenn es dazu noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise gibt. Seit dem Jahr 2000 gibt es auch eine Mitteilung der EU-Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips. Kritiker des Vorsorgeprinzips argumentieren, dass dieses Prinzip wirtschaftsfeindlich ist und dadurch jegliches Wirtschaftswachstum verhindert wird. 

Mittlerweile hat sich jedoch die Sichtweise geändert. Nachhaltig zu denken ist schon lange kein Spleen von zurückgebliebenen Spinnern, sondern eine Notwendigkeit. Damals wurde schon verlautbart, dass es darum geht, künftigen Generationen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Und heute setzen sich diese genau dafür ein. Für große Unternehmen ist ein integrierter Geschäftsbericht selbstverständlich geworden, wo auch über die nicht-finanziellen Kennzahlen berichtet wird. Immer mehr kleine und mittelgroße Unternehmen übernehmen gesellschaftliche Verantwortung und beginnen über ihre Maßnahmen nach außen zu berichten.  

Autoren und Autorinnen sind natürlich kein Großkonzern. Trotzdem erscheint es mir als erforderlich, die Kolleginnen und Kollegen dazu aufzurufen, sich über ihre gesellschaftlichen Auswirkungen bewusst zu werden und natürlich auch im Sinne des Vorsorgeprinzips damit zu beginnen, sich Gedanken zu machen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. 

Auch wenn es mittlerweile viele andere Nachhaltigkeits-Standards (z. B. Gemeinwohlökonomie) gibt, möchte ich dies am Beispiel der ISO 26000 (Leitfaden für gesellschaftliche Verantwortung) illustrieren, weil ich auch in meiner Master Thesis dazu gearbeitet habe. 

Mit den folgenden Fragen könnten sich Autoren und Autorinnen beschäftigen:
  • Berichte ich über meine Entscheidungen und Aktivitäten auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, beispielsweise auf meiner Website?
  • Wie viel Transparenz biete ich in Bezug auf Zweck, Art und Standort meiner Aktivitäten?
  • Gibt es Normen und Kriterien, an denen ich mich orientiere, um meiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen?
  • Habe ich meine Anspruchsgruppen identifiziert, ausgewählt? Wenn ja: Wie werden diese eingebunden?
  • Kommuniziere ich meine ethischen Grundwerte und Grundsätze nach außen?
  • Ist mir bewusst, welche Auswirkungen meine Entscheidungen und Auswirkungen auf verschiedene Anspruchsgruppen, auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und auf die Umwelt haben? Achte ich auf die Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen?
  • Achte ich bei dem, was ich mache, auf die Einhaltung von Recht und Gesetz? Kommt das in dem, was ich schreibe, zum Ausdruck?
  • Achte ich auf die Einhaltung internationaler Verhaltensstandards?
  • Werden bei dem, was ich mache, Menschenrechte eingehalten?
  • Welche Arbeitspraktiken kommen zum Einsatz?
  • Gibt es bei mir faire Betriebs- und Geschäftspraxis?
  • Wie wichtig sind mir Anliegen von Lesern und Leserinnen?
  • Achte ich auf die Einhaltung von Umwelt-Standards?
  • Welche Aktivitäten zur Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft, die mich umgibt, trage ich bei?
Mir ist bewusst, dass sich die meisten Kollegen und Kolleginnen noch nie diese Fragen gestellt haben und diese somit vermutlich auch nicht ad hoc beantworten könnten. Somit ist dies als Einladung zu verstehen, sich Schritt für Schritt näher damit zu beschäftigen.

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