24.8.25

Warum niemand für Dich denken kann

Kürzlich erzählte in einem Gespräch eine Frau, wie sie sich den idealen Partner vorstellt. Sie wünschte sich jemanden, der so empathisch ist, dass er genau weiß, was sie will und braucht. Tage später fiel mir auf, dass Männer mitunter ähnliche Wünsche haben. Offenbar gibt es etliche Leute, die erwarten, dass andere besser wissen, was zu ihnen passt und für sie gut ist. In diesem Blogbeitrag gehen wir diesem Phänomen auf den Grund. Du erfährst, welche Auswirkungen damit verbunden sind und was ich anstelle dessen vorschlage.

Verantwortung abgeben

In welchen Lebensbereichen können wir dieses Verhalten beobachten? Vielleicht kennst Du Personen, die von der/dem Partner/in, von Angehörigen, Freundinnen und Freunden hoffen, dass diese erahnen, was sie sich zum Geburtstag wünschen. Auf die Frage, was sie sich wünschen, gibt es jedoch keine konkrete Antwort. Wenn sie etwas bekommen, das ihnen offensichtlich nicht gefällt, sind sie enttäuscht.

Im Restaurant gehen solche Leute davon aus, dass die Kellnerin oder der Kellner ihre geheimen geschmacklichen Vorlieben erraten. Das anonyme Küchenpersonal soll selbstverständlich das Essen exakt so zubereiten, wie es ihnen in dem Moment am besten schmeckt. Entspricht das Ergebnis nicht ihrem Geschmack, lassen sie das Essen zurückgehen.

Von Friseurinnen oder Friseuren erhoffen sie, dass sie das zu ihrem Typ optimal passende Haarstyling vorschlagen. Entspricht sie nicht ihren Erwartungen, reagieren sie verärgert. Auch bei Schuhen oder Bekleidung gehen sie davon aus, dass ihnen das Verkaufspersonal ein schickes Outfit vorschlägt, das genau dem entspricht, was optimal zu ihnen passt. Wird es nicht gemacht, sind sie sauer.

Dir ist möglicherweise das dahinterliegende Muster aufgefallen: Solche Leute glauben, dass sie selbst nicht denken, noch Verantwortung für ihre Bedürfnisse übernehmen müssen, sondern andere sollen Gedankenlesen können. Dabei übersehen sie einen wichtigen Punkt: Sie sind keine Kleinkinder mehr, die von Mama und Papa an der Hand genommen werden müssen, sondern erwachsene Menschen. Warum kommen sie daher auf die Idee, dass ihnen andere besser sagen können, was sie wann und vor allem wie benötigen?

Unterschiedliche Denksysteme

Wer bereits einige meiner Inhalte kennt, erinnert sich vielleicht an das Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ des Psychologen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Daniel Kahneman. Kahneman stellt dort zwei Arten des Denkens vor: das intuitive, schnelle und das analytische, langsame Denken. 

Kahneman nennt das schnelle, intuitive Denken „System 1“. Es arbeitet automatisch und mühelos wie wenn wir Zähne putzen oder bekannte Gesichter erkennen. Das langsame, analytische Denken bezeichnet er als „System 2“. Es benötigt mehr Energie, läuft bewusst ab und ist für komplexe Aufgaben zuständig wie beim Lösen schwieriger Rechenaufgaben oder der Analyse eines Problems.

Aus der Forschung wissen wir, dass unser Gehirn von allen Organen des Körpers mit rund 20 Prozent den größten Energieverbrauch hat. Um möglichst ressourcenschonend zu arbeiten, erledigt unser Gehirn die meisten Aufgaben des Tages mit dem schnellen, intuitiven Denksystem 1. Für alltägliche Routineaufgaben reicht dies in der Regel völlig aus. 

Wenn es jedoch um Entscheidungen geht, ist das keine sinnvolle Strategie, denn das schnelle Denken ist leider fehleranfällig. Unser Gehirn nimmt bei dieser Art des Denkens Abkürzungen. Wichtige Aspekte bleiben dabei unberücksichtigt. Dabei entstehen automatisch, als Nebenprodukt des schnellen Denkens, sogenannte „kognitive Verzerrungen“. Diese Denkfehler laufen unbewusst und automatisch ab und auch wenn wir wissen, dass es sie gibt, können wir sie nicht vermeiden. Schauen wir uns an, welche in dem Zusammenhang wichtig sind.

Häufige Denkfehler

Bei der Konsensüberschätzung oder dem False Consensus Bias neigen wir dazu zu glauben, dass andere Menschen ähnliche Einstellungen oder Verhaltensweisen haben wie wir. Das ist zwar grundsätzlich möglich, in vielen Fällen ist es jedoch nicht so. Menschen haben als soziale Wesen das Bedürfnis, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben und hoffen, dass andere ganz genau so denken und fühlen wie sie. 

In Wahrheit ist jede und jeder von uns ist individuell. Selbst eineiige Zwillinge sind trotz ihrer Ähnlichkeit unterschiedlich. Denn wir haben alle andere Erbanlagen, jede/r hat eine einzigartige Geschichte. Kein anderer Mensch hat idente Erfahrungen oder Ansichten, kann daher nicht genauso empfinden wie wir.

Aufgrund der Illusion der Transparenz oder Illusion of Transparency überschätzen wir, wie gut andere Menschen unsere inneren Regungen wie Gefühle, Gedanken oder Ansichten erkennen können.  Empathische Menschen nehmen zwar unsere grundsätzliche Stimmung wahr. Was wir genau denken oder fühlen, ist für sie jedoch nicht erkennbar. Dies führt in Kombination mit der Konsensüberschätzung regelmäßig zu Missverständnissen oder Konflikten.

Wirklichkeitsfremde Vorstellungen

Wenn jemand den Anspruch hat, dass andere Leute die eigenen Bedürfnisse genauso oder noch besser wahrnehmen können wie man selbst, allen voran die Frau, die sich einen empathischen Partner wünscht, der genau weiß, was sie braucht, ist das unrealistisch. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht möglich und daher so realistisch, wie von Eichhörnchen zu erwarten, dass sie unterirdischen Höhlen graben oder von Kaninchen, dass sie von Baum zu Baum springen.

Aufgrund solcher Erwartungen sind Missverständnisse regelrecht vorprogrammiert. Wir können weder unser Denken noch unser Fühlen an andere abgeben. Kein anderer Mensch kann das für uns übernehmen. Niemand hat unsere Gene, niemand hat unsere Persönlichkeit, niemand hat unsere Lebenserfahrung, niemand kennt uns so gut wie wir uns selbst. Schreiben kann eine wertvolle Unterstützung sein, unsere Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen, unsere Bedürfnisse kennenzulernen und auszudrücken.

Wie uns Schreiben beim Denken hilft

Schreiben eignet sich hervorragend, um kognitive Verzerrungen, wie die Konsensüberschätzung oder die Illusion der Transparenz, die unser Gehirn beim Denken automatisch macht, zu entlarven. Beispiele dafür findest Du in meiner Playlist auf YouTube.

Außerdem können wir durch Schreiben die Vorzüge beider Denksysteme nutzen. Wenn es darum geht, spontane, kreative Ideen zu notieren oder unser Bauchgefühl zu Papier zu bringen, kann Schreiben eine wertvolle Hilfe sein. Wir können wichtige, flüchtige Gedanken verschriftlichen, die ansonsten verloren gehen. 

Zudem bietet uns das Schreiben die Vorzüge des langsamen, analytischen Denkens. Indem wir unsere Impulse unter die Lupe nehmen, finden wir heraus, wie realistisch sie sind. Aus Wünschen entwickeln wir durch Schreiben realistische Ziele und umsetzbare Pläne. 

Beispiele, wie Dich Schreiben beim Denken unterstützen kann, findest Du hier im Blog, im Schreibgeflüster-Podcast  oder auf meinem YouTube-Kanal. Weitere Tipps, Vertiefungen und Austausch gefragt? Werde Mitglied der kostenlosen Facebook-Gruppe oder des Reflexionsclubs.

3.8.25

Warum gute Ideen allein nicht reichen

Wenn es etwas gibt, dass ich außergewöhnlich gut kann, dann ist es neue Ideen aus dem Hut zu zaubern. Gib mir ein Stichwort und mir fällt sofort etwas dazu ein. Auch wenn man mir kein Stichwort nennt, habe ich permanent neue Einfälle. Früher habe ich sie stolz in mein Notizbuch eingetragen und fühlte ich mich allein dadurch erhaben, denn es war die Bestätigung, dass ich kreativ bin. 

Wozu sollen wir Ideen sammeln?


Ich kann mich noch gut an meine erste Drehbuchausbildung erinnern: Während andere darüber gejammert haben, ihnen fiele nichts ein, hatte ich im Gegensatz zu ihnen eine enorme Auswahl an Impulsen zur Verfügung. Ich fühlte mich allein dadurch ungemein wichtig und allen anderen Kolleginnen und Kollegen überlegen. 

Diese Fülle an Einfällen führte jedoch zu einer paradoxen Situation: Einerseits wusste ich, dass ich eine Vielzahl an Möglichkeiten hätte und andererseits konnte ich mich nicht entscheiden, ob und was daraus entstehen soll: ein innovatives Konzept für eine neue Fernsehshow, eine TV-Serie oder doch ein Drehbuch für einen Spielfilm? Wenn es so etwas wie Ideen-Messies gibt, die unendliche viele Ideen sammeln und dann aufgrund zu vieler Möglichkeiten in der Entscheidungslosigkeit verharrt sind, dann war das ich. 

Warum Ideen notieren sinnvoll ist


Um mich bitte nicht falsch zu verstehen: Das Aufschreiben von Ideen, wie ich es damals so exzessiv betrieben habe, ist grundsätzlich wichtig und richtig, insbesondere wenn Du damit ein bestimmtes Ziel verfolgst, wie diesen Blogbeitrag zu verfassen oder ein Buch zu schreiben.

Auch wenn Du keine Inhalte veröffentlichen, sondern gewisse Herausforderungen bewältigen oder bestimmte Probleme lösen möchtest, ist das Notieren Deiner Inspirationen wichtig. Daher habe ich auch vor einiger Zeit zu diesem Thema einen Blogbeitrag (Mythos: Ideen auf Knopfdruck) verfasst. 

Was soll daraus entstehen?


Gute Einfälle sind die Grundlage von so gut wie allem. Ohne unsere Kreativität wäre der jahrtausendelange Fortschritt der Menschheit nicht möglich gewesen. Allerdings würden wir immer noch in Höhlen hausen, wenn unsere Vorfahren über unsere guten Ideen nur nachgedacht, mit anderen darüber gesprochen oder sie nur aufgeschrieben hätten, anstelle sie schrittweise weiterzuentwickeln und umzusetzen. 

Das ist so ähnlich, wie wenn Du Saatgut einkaufst, die Samen in einen Topf gibst und ihn anschließend in einen Keller stellst. Wie sollen ohne Licht, Luft und Wasser daraus Pflänzchen keimen, wenn sich keiner um sie kümmert? Mit Deiner Idee ist es ganz genau so. 

Was heute anders ist


Im Gegensatz zu früher sammle ich zwar immer noch viele Ideen, habe jedoch im Gegensatz zu damals einiges veröffentlicht. Außerdem betreibe ich mehrere Content-Kanäle, die mir erlauben, meine vielen Ideen nicht nur sinnvoll zu verwerten, sondern gleichzeitig andere Menschen damit zu inspirieren: dieser Blog, mein YouTube-Kanal sowie der Schreibgeflüster-Podcast. Sie zeigen, dass ich heute deutlich umsetzungsstärker geworden bin. 

Auch dieser Blogbeitrag ist das umgesetzte Ergebnis einer solchen Idee, die ich mir bereits im März notiert habe. Damals schrieb ich mir bereits den Titel des Beitrags auf: Warum gute Ideen allein nicht ausreichen. 

Gerade in der heutigen Zeit, in der es rund um uns so viele Herausforderungen gibt, könnten wir alle mit guten Ideen entscheidend dazu beitragen, die dringenden Probleme der heutigen Zeit in Angriff zu nehmen. 

Von der Idee zur Reflexion über die Umsetzung


Ich bin überzeugt davon, dass auch Du gute Ideen hast. Warum fallen sie Dir ein? Was sagen sie Dir? Könnte es eventuell eine Aufforderung an Dich sein, etwas umzusetzen, das Du Dir schon länger wünschst? Der erste Schritt ist immer, ein Blatt Papier und einen Stift in die Hand zu nehmen und Dir diese Idee aufzuschreiben. Inspiration zu Methoden, wie Du das machen könntest, findest Du hier

Als nächsten Schritt reflektiere darüber, wie Du diese Idee umsetzen könntest und warum Du es (jetzt) möchtest. Dabei könnte es hilfreich sein, Dir die folgenden beiden Fragen schriftlich zu beantworten:

  1. Warum fasziniert mich diese Idee? Welchen Grund habe ich, sie umzusetzen?
  2. Wie könnte der nächste Schritt zu deren Umsetzung aussehen? Kann ich diesen Schritt jetzt gehen? Was oder wen benötige ich dafür?
Achtung: Begehe nicht den Fehler, Dir zu denken, dass Du Dir die Beantwortung dieser Fragen sparen kannst. Diesen Fehler habe ich damals auch begangen und war einer der Hauptgründe, wieso damals nichts weitergegangen ist. 

Erst, wenn wir uns wirklich darauf einlassen und uns mit der Umsetzung beschäftigen, entwickeln wir ein Gefühl dafür, ob wir ernsthaft daran interessiert sind. Solange es nur ein Wunsch bleibt und bislang nicht als Ziel formuliert ist, über dessen Umsetzung wir tatsächlich auch nachdenken, können wir es  nicht abschätzen. 

Möglicherweise stellt sich während Deiner Reflexion heraus, dass diese Idee gar nicht so reizvoll ist, wie Du es ursprünglich gedacht hast. Du wirst es jedoch nie herausfinden, wenn Du Dich nie damit beschäftigst.

Weitere Tipps und Vertiefungen gefragt? Schau Dir gerne auch die anderen Inhalte dieses Blogs, des Schreibgeflüster-Podcasts oder meines YouTube-Kanals an, werde Mitglied in meiner kostenlosen Facebook-Gruppe oder des Reflexionsclubs.

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