13.7.25

Die Magie der kleinen Schritte

Zum Zeitpunkt, wenn dieser Blogbeitrag online geht, ist Mitte Juli. In etlichen Regionen in Deutschland, in Österreich und der Schweiz sind Schulferien und viele Menschen fahren in den Urlaub. Gleichzeitig ist ein halbes Jahr vorbei. Wir nutzen den Sommer gerne, um durchzuatmen, kurz innehalten und uns fragen, wie es um unsere Jahresziele steht. 

Studien zeigen, dass viele Menschen ihre Neujahrsvorsätze längst aufgegeben haben. Anstelle uns zu freuen und motiviert zu sein, zweifeln wir an uns und ärgern uns, dass wir es wieder einmal nicht geschafft haben. 

Kein Wunder, dass wir uns infrage stellen, denn überall werden uns bunte Bilder derjenigen präsentiert, die perfekt das „schneller-höher-weiter“-Prinzip unserer Leistungsgesellschaft verkörpern. Wer in der ersten Jahreshälfte keine signifikanten Fortschritte vorweisen kann, beginnt, sich infrage zu stellen. Schuldgefühle, Versagensängste und das Gefühl, nicht diszipliniert genug zu sein, machen sich breit. Ich bin überzeugt, dass diese weitverbreitete Botschaft des „Erfolgs über Nacht“ nicht nur Unsinn, sondern auch schädlich ist.

Das Märchen vom schnellen Erfolg

Das Bild vom plötzlichen Durchbruch, vom radikalen Wandel über Nacht, ist ein Mythos, der gerne erzählt wird, weil er sich in den Medien gut verkaufen lässt. Wenn Du jetzt einen Spaziergang in der Natur machst, kannst Du erkennen, dass die Laubbäume grün sind, Blumen blühen und viele Früchte bereits gereift sind. Keine dieser Entwicklungen kam plötzlich und schon gar nicht über Nacht. 

Als im März die Tage langsam länger wurden, konnten wir überall das zart spießende Grün beobachten und seither verändert sich die Natur täglich. Das macht sie still, unspektakulär und kontinuierlich. Wir können dieses Wachstum und die Veränderung jedes Jahr beobachten. Sie erfolgen organisch im Rhythmus der Jahreszeiten. 

Kleine Veränderungen sind unauffällig

Unser Gehirn ist nicht darauf programmiert, minimale Veränderungen zu bemerken oder zu speichern. Es filtert das Unwichtige aus, damit wir uns im Alltag effizient zurechtfinden. Was wir heute anders machen als vor zwei Tagen, ist für unser Gehirn nicht wichtig. Daher verschwindet es rasch wieder aus unserem Bewusstsein. Es sei denn, wir schreiben es auf. 

Wir Menschen sind Teil dieser Natur und erleben täglich kleine, kaum spürbare Veränderungen. Sie gestalten unser Leben langfristig auf neurologischer, psychischer und körperlicher Ebene. Mittlerweile wissen wir aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen, dass unser Gehirn ebenfalls nicht gleich bleibt, sondern sich täglich minimal verändert, je nachdem, wie wir es verwenden. Unser Geist, unsere Muskulatur und unser Immunsystem passen sich schrittweise an unsere alltäglichen Anforderungen an.

Schrittweise zum Ziel

Auch persönliche oder berufliche Ziele wirst Du nicht erreichen, wenn Du einmalig Willenskraft aufbringst. Du erreichst sie spannenderweise fast automatisch, wenn Du täglich kleine Entscheidungen triffst. 

Mal angenommen, Du wolltest Dich heuer mehr bewegen. Wenn Du trotz Müdigkeit am Abend noch eine Viertelstunde im Park oder im Wald gemütlich eine Runde gehst, kannst Du Dir gratulieren. Wer es mehrere Tage ausprobiert hat, wird sich nach kurzer Zeit auf den täglichen entspannenden Abendspaziergang freuen und diese neue Gewohnheit nicht mehr missen wollen.  

Falls Du Dir zum Ziel gesetzt hast, im Bett nicht am Smartphone herumzuscrollen, sondern anstelle dessen handschriftlich aufzuschreiben, was Dir heute gut gelungen ist oder wofür Du heute dankbar bist, kannst Du bereits nach wenigen Tagen anstelle zu scrollen zurückblättern und schwarz auf weiß nachlesen, worüber Du Dich freuen oder worauf Du stolz sein kannst.

Ziele erreichst Du nicht im Eilzugtempo, sondern wenn Du den Mut hast, den ersten Schritt zur Erreichung zu setzen. Unsicherheit und Selbstzweifel sind in dem Moment vollkommen normal. Lass Dich davon nicht irritieren, sondern gehe einen Schritt nach dem anderen immer weiter. Nachdem unser Gehirn zur Ungeduld neigt und diese kleinen Veränderungen nicht sofort als Fortschritt erkennt, ist es völlig normal, dass wir diese kleinen Momente unterschätzen. Doch genau hier beginnt die Magie.

Schreiben macht Fortschritt sichtbar

Wie Du vielleicht weißt, schreibe ich seit meiner Kindheit. Obwohl ich die Wirkung des Schreibens kenne, bin ich trotzdem genauso über dessen Wirkung erstaunt. Was wir uns notieren, macht sichtbar, was sonst verborgen bleibt. 

Durch Dein Schreiben kannst Du nicht nur äußere Ereignisse, sondern auch Deine inneren Prozesse am Weg zum Ziel dokumentieren. Wenn ich ein neues Projekt in Angriff nehme, notiere ich mir immer, was mich in dem Moment beschäftigt. Wenn ich später lese, was ich gedacht, gefühlt, gehofft oder befürchtet habe, muss ich manchmal schmunzeln. 

Es hat sich jedoch für mich zum Zeitpunkt der jeweiligen Aufzeichnung real angefühlt. Wenn ich diese Zeilen lese, ich fühle mich wieder in diese Zeit zurückversetzt. Ich erlebe, wie es damals war, den ersten Schritt zu machen und bin verdammt stolz auf mich, dass ich trotz meiner Zweifel und Ängste nicht aufgegeben, sondern weitergemacht habe. Es gibt mir Hoffnung, insbesondere wenn in dem Moment erneut Zweifel aufkommen.

Wenn Hoffnung entsteht

Manchmal können quälende Fragen auftauchen, wie: War es wirklich ein guter Zeitpunkt? Habe ich mir zu viel vorgenommen? Wo ist mein aktueller Engpass? Wobei muss ich nachjustieren? Was habe ich aus den Erlebnissen der letzten Tage, Wochen oder Monate gelernt? Was habe ich erkannt, das ich davor nicht wusste? 

Solche Gedanken haben mich früher ständig beschäftigt und gelähmt. Natürlich habe ich immer noch Zweifel, das gehört zum Leben dazu. Doch er kann mich nicht mehr völlig aus der Bahn werfen. Mittlerweile weiß ich, dass Zweifel zum Prozess dazugehört. Wenn solche Gedanken kommen, blättere ich in meinen Notizen zurück. Oh, das gab es bereits vor zwei Wochen! Was habe ich damals gemacht, damit es trotzdem gut weiterging? Veränderung entsteht systematisch und unspektakulär, wenn wir nicht aufgeben, sondern dabeibleiben.

Das ist die Magie der kleinen Schritte. Sie ist nicht wie in einer David Copperfield-Show oder in Harry-Potter-Büchern, wo wir durch Action, Explosionen oder Nebelschwaden die große Verwandlung erleben. Die Magie der kleinen Schritte ist leise, stetig und schön wie sie aus der Natur kennen. 

Sie präsentiert sich wie ein Rosengarten in voller Blüte, der uns mit seinem Duft und üppigen Farben betört, obwohl wir nur ein wenig gegossen, gedüngt und gejätet haben. Schreiben macht diese Magie sichtbar. Es unterstützt uns dabei, unsere Entwicklung transparent nachvollziehen zu können, die wir sonst übersehen würden. Unseren Notizen sind die Zeugnisse unserer sonst unbemerkten Reise zum Ziel. Sie enthalten viele wichtige Erkenntnisse, die sonst verlorengegangen wären. 

Jetzt damit beginnen

Am Ende dieses Blogbeitrags lade ich Dich ein, Dir ein Blatt Papier und einen Stift zu nehmen und Dir folgende Fragen handschriftlich zu beantworten:

  • Was war mein wichtigster Neujahrsvorsatz, den ich doch nicht umgesetzt habe?
  • Was hat mich davon abgehalten?
  • Was könnte der erste Schritt sein, um jetzt damit zu starten?

Weitere Tipps und Vertiefungen gefragt? Schau gerne auch auf meinem YouTube-Kanal vorbei, werde Mitglied in meiner kostenlosen Facebook-Gruppe oder des Reflexionsclubs.

22.6.25

Work-Life-Balance: unsinnig oder wichtig?

„Finde heraus, was Du liebst, und Du musst keinen Tag mehr arbeiten!“ Solche Sprüche werden in Social Media von Coaches verbreitet, um Menschen in ihre Programme zu locken. Sie behaupten, dass Unzufriedenheit im Beruf primär mit der jeweiligen Tätigkeit zu tun hat. 

Diese Coaches sagen, wenn man das macht, das einem Freude bereitet, hat man jeden Tag Spaß im Beruf und bräuchte nie wieder unzufrieden zu sein. Gleichzeitig sagen sie, dass alle, die auf Work-Life-Balance im Job Wert legen, bislang nicht das gefunden haben, das sie oder ihn gänzlich erfüllt. 

Berufliche Unzufriedenheit

Warum interessiert sich überhaupt jemand dafür, was solche Coaches behaupten? Schaut man sich aktuelle Studien an, zeigen diese ein klares Bild: Der „State of the Global Workplace: 2025 Report“ von Gallup zeigt, dass sich nur noch 21 % der Beschäftigten weltweit emotional mit ihrer Arbeit verbunden fühlen. In Deutschland sind es 12 %, in Österreich 9 % und in der Schweiz 8 %. 

Auffällig beim heurigen Ergebnis ist, dass die Zufriedenheit der Führungskräfte gefallen ist. Dies erklärt Gallup mit einer Vielzahl an Anforderungen, die gleichzeitig auf die Management-Ebene einwirken, wie höherer Druck der Geschäftsführung auf das Management aufgrund geringeren Wirtschaftswachstums, höhere Fluktuation nach der Pandemie, gestiegene Anforderungen ihrer Teams etc.

Die Fakten dahinter

Allerdings antworten auf die Frage, ob sich die Menschen aktiv nach einem neuen Job umschauen, in Deutschland 39 %, in der Schweiz 22 % und in Österreich 20 %. Die zuvor genannte Behauptung vieler Coaches stimmt somit nicht. 

Auch wenn die eingangs erwähnte Schlussfolgerung auf den ersten Blick logisch klingt, gilt es nicht für Autorinnen, Autoren, Kreative, Selbstständige, Unternehmerinnen und Unternehmer. Denn sie machen bereits das, was ihnen Freude bereitet. Auch sie stehen vor der Herausforderung, mit den gesellschaftlichen und strukturellen Veränderungen umgehen zu müssen, was bei jedem Menschen Stress verursacht. Dementsprechend benötigen wir alle regelmäßige Pausen und Zeit für Erholung.

Erholung ist kein Luxus

Im Schreibgeflüster Podcast habe ich kürzlich zwei Expertinnen interviewt (die Links zu den beiden Episoden findest Du am Ende des Blogbeitrags). Sie betonten, dass Erholungsphasen aus gesundheitlicher Sicht essenziell sind. Pausen senken den Stresspegel, regulieren das Nervensystem und schützen langfristig vor Erschöpfung, Schlafstörungen oder psychosomatischen Beschwerden. 

Gerade Kreative oder Selbstständige, die oft ohne klaren Arbeitsrahmen agieren, laufen Gefahr, in einen Zustand ständiger Aktivierung zu geraten. Bewusste Erholung wirkt dem entgegen. Sie ist kein Zeichen von Faulheit, sondern ein Zeichen von Selbstfürsorge und professionellem Weitblick.

Kreativität auf Knopfdruck ist eine Illusion

In einem meiner Blogbeiträge habe ich bereits die Vorstellung, dass wir jeden Tag kreative Hochleistungen vollbringen können, als Mythos entlarvt. Kreative Prozesse brauchen nicht nur Konzentration, sondern auch Leerlauf. Studien zeigen, dass das Gehirn gerade in Phasen der vermeintlichen Ruhe besonders aktiv ist wie im Schlaf. 

Auch während erholsamer Pausen verknüpft unser Gehirn im sogenannten Default-Mode-Netzwerk unbewusst Informationen, verarbeitet Eindrücke und generiert neue Ideen. Sich regelmäßig kleine oder größere Pausen zu gönnen, steigert die mentale Leistungsfähigkeit, fördert Einfallsreichtum und Perspektivwechsel. Nicht umsonst kommen uns gute Einfälle oft beim Spazierengehen, Duschen oder im Halbschlaf.

Gönne Dir bewusst Pausen

Der Sommer bietet aufgrund der längeren Tage zahlreiche Möglichkeiten zur Erholung und für kurze Auszeiten im Alltag. Gehe in den Wald, setze Dich auf eine Parkbank und beobachte Vögel und Eichhörnchen oder melde Dich bei lieben Menschen, um mit ihnen zu plaudern. Dafür bieten sich ein Spaziergang oder der Gastgarten eines netten Lokals an. Wer über Balkon, Terrasse oder Garten verfügt, kann natürlich auch diese zur Erholung im Freien nutzen.

Ideen aufschreiben

Aus Erfahrung empfehle ich, alle Inspirationen, die spontan während der Erholungsphasen entstehen, sofort zu notieren, da sie flüchtig sind und schnell wieder verloren gehen können. Ich notiere sie mir sofort stichwortartig in meinem Notizbuch. Dadurch kannst Du sie zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen und damit weiterarbeiten, wenn Du sie benötigst. 

Zusätzlichen Stress vermeiden

Dabei ist jedoch wichtig, Dich nicht zusätzlich unter Druck zu setzen, dass Ideen automatisch entstehen, wenn Du spazieren gehst oder jemanden aus dem Bekanntenkreis triffst. Je lockerer Du es nimmst, desto leichter kommt Dein Geist zur Ruhe und produziert dabei automatisch neue Einfälle. Denke stets daran, dass regelmäßige Pausen in erster Linie dazu dienen, Deine Gesundheit aktiv zu unterstützen und die Einfälle ein positives Nebenprodukt sein können, aber nicht müssen. 

Fazit

Unzufriedenheit im Beruf kann mit vielen Einflussfaktoren zu tun haben, wie geänderten strukturellen oder gesellschaftlichen Anforderungen. Eine erfüllende Tätigkeit ist zwar erfreulich, erfordert jedoch ebenso regelmäßige Auszeiten. Für Erholung und Pausen zu sorgen, ist für alle Menschen wichtig und gesund. Diese können zusätzlich unsere Kreativität beflügeln.  

Zum Weiterlesen/-hören und Vertiefen:

  • Schreibgeflüster-Podcast: Anspannung loslassen – Interview mit Marlies Vitzthum
  • Schreibgeflüster-Podcast: Stress loswerden – Interview mit Heike Melzer
  • Mythos: Einfälle auf Knopfdruck

Weitere Tipps und Vertiefungen gefragt? Schau gerne auch auf meinem YouTube-Kanal vorbei, werde Mitglied in meiner kostenlosen Facebook-Gruppe oder des Reflexionsclubs.

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