14.9.25

Mythos: Ich war schon immer schlecht in Deutsch

Im Rahmen meines Blogs habe ich bereits einige Mythen, die Menschen vom Schreiben abhalten, thematisiert. Heute werden wir uns einem weiteren wichtigen Vorurteil widmen, das leider immer noch in den Köpfen vieler Menschen herumspukt: Ich war schon immer schlecht in Deutsch und deshalb schreibe ich nicht.

Weitverbreiteter Denkfehler

Der „Self-Serving-Bias“ ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen dazu neigen, Erfolge auf sich selbst zurückzuführen, während Misserfolge äußeren Faktoren zugeschrieben werden. Dann entstehen Aussagen wie: „Ich habe kein Talent“ oder: „Ich war schon immer schlecht in Deutsch“. Das wurde ungünstigerweise während der Schulzeit von manchen Lehrkräften befeuert.

So entstand im Laufe der Zeit bei vielen Menschen die fixe Vorstellung, dass sie Rechtschreibung und Grammatik perfekt beherrschen müssen, bevor sie zu schreiben beginnen können. Dabei übersehen sie, dass sie ohnehin bereits im Alltag häufig schreiben. Es beginnt bei der Einkaufliste oder der Aufgabenliste für die nächste Woche, führt über Whatsapp-Nachrichten im Privat- und Berufsleben und geht bis zu E-Mails oder Social-Media-Beiträgen, die etliche Leute regelmäßig schreiben. 

Doch weder Denkfehler, die vom Gehirn automatisch produziert werden, noch inkompetente Aussagen von früheren Autoritäten sollten uns davon abhalten, das zu tun, woran wir Interesse haben.

Schreiben nur für sich

Warum scheuen sich dennoch so viele davor, ihre Gedanken, Erlebnisse oder Gefühle in einem Tagebuch oder Journal zu Papier zu bringen? Diese persönlichen Zeilen sind privat und werden außer ihnen niemand lesen. 

Es gibt daher keinen vernünftigen Grund, warum wir darauf verzichten sollten, uns jeden Tag zu notieren, wofür wir dankbar sind, was uns gut gelungen ist oder worauf wir stolz sind.

Praxis-Tipp: Einige Anregungen, um sofort zu starten, findest Du bei diesem Blogbeitrag: Einfach mit dem Schreiben beginnen. Weitere Vorschläge erhältst Du regelmäßig als Mitglied meiner kostenlosen Facebook-Gruppe. Bei der praktischen Umsetzung unterstützt Dich der Reflexionsclub.

Bei Sachinhalten Tools einsetzen

Bei längeren Texten, die später für die Öffentlichkeit bestimmt sind, wird zuerst eine Rohfassung erstellt. Erst später folgt die Überarbeitung. Dieser Ablauf gilt für Werbe- und Website-Beiträge, Blogposts, Artikel für Magazine, wissenschaftliche Arbeiten sowie für jedes Fach-, Sach- oder Ratgeberbuch. 

Grammatik und Rechtschreibung stehen nie an erster Stelle, sondern werden erst am Ende wichtig, bevor andere Menschen den Text lesen sollen. Heute gibt es zahlreiche Tools, die wir einfach zum Korrigieren nutzen können, viele davon gibt es sogar als Add-on für Deinen Browser, falls Du online arbeiten möchtest. 

Praxis-Tipp: Falls Dich das Thema Rechtschreibung lernen interessiert, schau Dir dazu meine letzte Podcast-Episode auf YouTube an, bei der ich eine erfahrene Lerntrainerin interviewt habe.

Story und Figuren im Fokus

Beim Erfinden von Geschichten gibt es ebenfalls andere Schwerpunkte: Nach der ersten Idee legen manche Autorinnen und Autoren sofort los, einige skizzieren Handlungen und Konflikte oder entwerfen ihre Figuren. Andere machen alles parallel oder passen ihre Strategien an die jeweilige Geschichte an. 

Alle entwickeln im Laufe der Zeit eine Methode, die für sie oder ihn am besten passt, und das ist auch gut so. Wir sind einzigartig, ebenso wie jede Kurzgeschichte, jede Erzählung, jede Novelle, jeder Roman, jedes Hörspiel, jedes Theaterstück oder jedes Drehbuch unterschiedlich sind.

Worüber machen sich die meisten Profis zu Beginn wenig bis gar keine Gedanken? Rechtschreibung und Grammatik sind während der Entstehung nebensächlich und gewinnen erst am Ende an Bedeutung, bevor ihr Werk veröffentlicht werden soll. Die übermäßige Fokussierung könnte sogar gegenteilige Wirkung haben und zu Schreibblockaden führen. 

Praxis-Tipp: Schreibe auch bei Deinen Geschichten einfach drauflos. Achte insbesondere darauf, dass Dir das Schreiben Vergnügen bereitet. Mache Dir bewusst, dass niemand Perfektion erwartet. Alles, das Du jetzt schreibst, kannst Du zu einem späteren Zeitpunkt überarbeiten.

Fazit

Auch diesen Mythos können wir jetzt entspannt ins Märchenland zurückschicken. Lege einfach los, überarbeite später und lass Dich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt von praktischen Tools unterstützen.

Schau gerne auf meinen anderen Kanälen wie dem Schreibgeflüster Podcast, meinem YouTube-Kanal vorbei. Dort findest Du weitere Tipps und Inspirationen zur Vielfalt des Schreibens. 

24.8.25

Warum niemand für Dich denken kann

Kürzlich erzählte in einem Gespräch eine Frau, wie sie sich den idealen Partner vorstellt. Sie wünschte sich jemanden, der so empathisch ist, dass er genau weiß, was sie will und braucht. Tage später fiel mir auf, dass Männer mitunter ähnliche Wünsche haben. Offenbar gibt es etliche Leute, die erwarten, dass andere besser wissen, was zu ihnen passt und für sie gut ist. In diesem Blogbeitrag gehen wir diesem Phänomen auf den Grund. Du erfährst, welche Auswirkungen damit verbunden sind und was ich anstelle dessen vorschlage.

Verantwortung abgeben

In welchen Lebensbereichen können wir dieses Verhalten beobachten? Vielleicht kennst Du Personen, die von der/dem Partner/in, von Angehörigen, Freundinnen und Freunden hoffen, dass diese erahnen, was sie sich zum Geburtstag wünschen. Auf die Frage, was sie sich wünschen, gibt es jedoch keine konkrete Antwort. Wenn sie etwas bekommen, das ihnen offensichtlich nicht gefällt, sind sie enttäuscht.

Im Restaurant gehen solche Leute davon aus, dass die Kellnerin oder der Kellner ihre geheimen geschmacklichen Vorlieben erraten. Das anonyme Küchenpersonal soll selbstverständlich das Essen exakt so zubereiten, wie es ihnen in dem Moment am besten schmeckt. Entspricht das Ergebnis nicht ihrem Geschmack, lassen sie das Essen zurückgehen.

Von Friseurinnen oder Friseuren erhoffen sie, dass sie das zu ihrem Typ optimal passende Haarstyling vorschlagen. Entspricht sie nicht ihren Erwartungen, reagieren sie verärgert. Auch bei Schuhen oder Bekleidung gehen sie davon aus, dass ihnen das Verkaufspersonal ein schickes Outfit vorschlägt, das genau dem entspricht, was optimal zu ihnen passt. Wird es nicht gemacht, sind sie sauer.

Dir ist möglicherweise das dahinterliegende Muster aufgefallen: Solche Leute glauben, dass sie selbst nicht denken, noch Verantwortung für ihre Bedürfnisse übernehmen müssen, sondern andere sollen Gedankenlesen können. Dabei übersehen sie einen wichtigen Punkt: Sie sind keine Kleinkinder mehr, die von Mama und Papa an der Hand genommen werden müssen, sondern erwachsene Menschen. Warum kommen sie daher auf die Idee, dass ihnen andere besser sagen können, was sie wann und vor allem wie benötigen?

Unterschiedliche Denksysteme

Wer bereits einige meiner Inhalte kennt, erinnert sich vielleicht an das Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ des Psychologen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Daniel Kahneman. Kahneman stellt dort zwei Arten des Denkens vor: das intuitive, schnelle und das analytische, langsame Denken. 

Kahneman nennt das schnelle, intuitive Denken „System 1“. Es arbeitet automatisch und mühelos wie wenn wir Zähne putzen oder bekannte Gesichter erkennen. Das langsame, analytische Denken bezeichnet er als „System 2“. Es benötigt mehr Energie, läuft bewusst ab und ist für komplexe Aufgaben zuständig wie beim Lösen schwieriger Rechenaufgaben oder der Analyse eines Problems.

Aus der Forschung wissen wir, dass unser Gehirn von allen Organen des Körpers mit rund 20 Prozent den größten Energieverbrauch hat. Um möglichst ressourcenschonend zu arbeiten, erledigt unser Gehirn die meisten Aufgaben des Tages mit dem schnellen, intuitiven Denksystem 1. Für alltägliche Routineaufgaben reicht dies in der Regel völlig aus. 

Wenn es jedoch um Entscheidungen geht, ist das keine sinnvolle Strategie, denn das schnelle Denken ist leider fehleranfällig. Unser Gehirn nimmt bei dieser Art des Denkens Abkürzungen. Wichtige Aspekte bleiben dabei unberücksichtigt. Dabei entstehen automatisch, als Nebenprodukt des schnellen Denkens, sogenannte „kognitive Verzerrungen“. Diese Denkfehler laufen unbewusst und automatisch ab und auch wenn wir wissen, dass es sie gibt, können wir sie nicht vermeiden. Schauen wir uns an, welche in dem Zusammenhang wichtig sind.

Häufige Denkfehler

Bei der Konsensüberschätzung oder dem False Consensus Bias neigen wir dazu zu glauben, dass andere Menschen ähnliche Einstellungen oder Verhaltensweisen haben wie wir. Das ist zwar grundsätzlich möglich, in vielen Fällen ist es jedoch nicht so. Menschen haben als soziale Wesen das Bedürfnis, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben und hoffen, dass andere ganz genau so denken und fühlen wie sie. 

In Wahrheit ist jede und jeder von uns ist individuell. Selbst eineiige Zwillinge sind trotz ihrer Ähnlichkeit unterschiedlich. Denn wir haben alle andere Erbanlagen, jede/r hat eine einzigartige Geschichte. Kein anderer Mensch hat idente Erfahrungen oder Ansichten, kann daher nicht genauso empfinden wie wir.

Aufgrund der Illusion der Transparenz oder Illusion of Transparency überschätzen wir, wie gut andere Menschen unsere inneren Regungen wie Gefühle, Gedanken oder Ansichten erkennen können.  Empathische Menschen nehmen zwar unsere grundsätzliche Stimmung wahr. Was wir genau denken oder fühlen, ist für sie jedoch nicht erkennbar. Dies führt in Kombination mit der Konsensüberschätzung regelmäßig zu Missverständnissen oder Konflikten.

Wirklichkeitsfremde Vorstellungen

Wenn jemand den Anspruch hat, dass andere Leute die eigenen Bedürfnisse genauso oder noch besser wahrnehmen können wie man selbst, allen voran die Frau, die sich einen empathischen Partner wünscht, der genau weiß, was sie braucht, ist das unrealistisch. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht möglich und daher so realistisch, wie von Eichhörnchen zu erwarten, dass sie unterirdischen Höhlen graben oder von Kaninchen, dass sie von Baum zu Baum springen.

Aufgrund solcher Erwartungen sind Missverständnisse regelrecht vorprogrammiert. Wir können weder unser Denken noch unser Fühlen an andere abgeben. Kein anderer Mensch kann das für uns übernehmen. Niemand hat unsere Gene, niemand hat unsere Persönlichkeit, niemand hat unsere Lebenserfahrung, niemand kennt uns so gut wie wir uns selbst. Schreiben kann eine wertvolle Unterstützung sein, unsere Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen, unsere Bedürfnisse kennenzulernen und auszudrücken.

Wie uns Schreiben beim Denken hilft

Schreiben eignet sich hervorragend, um kognitive Verzerrungen, wie die Konsensüberschätzung oder die Illusion der Transparenz, die unser Gehirn beim Denken automatisch macht, zu entlarven. Beispiele dafür findest Du in meiner Playlist auf YouTube.

Außerdem können wir durch Schreiben die Vorzüge beider Denksysteme nutzen. Wenn es darum geht, spontane, kreative Ideen zu notieren oder unser Bauchgefühl zu Papier zu bringen, kann Schreiben eine wertvolle Hilfe sein. Wir können wichtige, flüchtige Gedanken verschriftlichen, die ansonsten verloren gehen. 

Zudem bietet uns das Schreiben die Vorzüge des langsamen, analytischen Denkens. Indem wir unsere Impulse unter die Lupe nehmen, finden wir heraus, wie realistisch sie sind. Aus Wünschen entwickeln wir durch Schreiben realistische Ziele und umsetzbare Pläne. 

Beispiele, wie Dich Schreiben beim Denken unterstützen kann, findest Du hier im Blog, im Schreibgeflüster-Podcast  oder auf meinem YouTube-Kanal. Weitere Tipps, Vertiefungen und Austausch gefragt? Werde Mitglied der kostenlosen Facebook-Gruppe oder des Reflexionsclubs.

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